Am 01.12.2015 hat das Regionalbüro der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Sächsischen Landtag zu einer Veranstaltung "Nitrat im Grundwasser – die unsichtbare Gefahr" in Eilenburg eingeladen. Die Einladung enthielt unterschwellig die Nachricht, dass die Landwirte die "Übeltäter" für signifikant erhöhte Nitratgehalte im Grundwasser sind. Es wurde behauptet, dass Landwirte Gülle auf die Felder kippen und in großen Mengen zusätzlich mineralischen Dünger verwenden. Schuld ist die industrielle Tierhaltung. Derartige Unterstellungen kann ein Landwirt so nicht unwidersprochen hinnehmen:
- Gülle wird grundsätzlich nicht auf Felder gekippt. Gülle ist ein wertvoller organischer Dünger, der gezielt und dosiert auf den Feldern ausgebracht wird. Sie enthält Stickstoff, Kali, Phosphor, Magnesium und Kalk, um die wesentlichen Nährstoffe zu nennen. Die Nährstoffe werden von den angebauten Kulturen auf den Feldern zum Wachstum benötigt. Um z. B. 80 dt Weizen von einem Hektar ernten zu können, brauchen die Pflanzen 225 kg Stickstoff je Hektar. Zuckerrüben bei einem Ertrag von 600 dt/ha benötigen 300 kg Stickstoff und Raps bei 40 dt/ha Ertrag 200 kg Stickstoff. Organscher Dünger, wozu neben Gülle auch Gärreste aus Biogasanlagen, Festmist aus der Tierhaltung (Rind, Schwein, Geflügel, Pferd) und Hühnertrockenkot zählen, haben den großen Vorteil, dass sie ein Produkt des Kreislaufs Feld ⇒ Tier ⇒ Feld sind. Was auf den Feldern gewachsen ist, wird als Futter in der Tierhaltung in Fleisch, Milch, Eier usw. veredelt. Die Abprodukte aus der Tierhaltung kommen als Dünger für die Futterproduktion erneut auf die landwirtschaftlichen Nutzflächen.
- Mineralischer Dünger wird ebenfalls dosiert und gezielt in der Landwirtschaft ausgebracht. Hier spielen vor allem Kostengründe eine wesentliche Rolle, d.h. es wird nur so viel Dünger (egal ob Gülle oder Mineraldünger) ausgebracht, wie die Pflanzen dem Boden entzogen haben. In jedem Frühjahr zu Vegetationsbeginn werden Bodenproben in zwei Tiefen (0 - 30 cm und 30 – 60 cm) gezogen. Es werden etwa je 15 ha eine Probe genommen. Diese Bodenproben werden akkreditierten Laboren zur Untersuchung zugesandt. Damit erhält jeder Landwirt einen Überblick wieviel Reststickstoff im Boden vorhanden ist. Mit dem Bodenprobenbeleg übermittelt der Landwirt dem Labor auch sein Ertragsziel (Mittelwert der letzten Jahre). Über ein Computerprogramm wird dann für jede Kultur der Stickstoffbedarf errechnet. Und nur diese Menge darf auf die Felder aufgebracht werden. Kontrolliert wird dies zusätzlich durch die Landwirtschaftsämter, die jedes Jahr eine Reihe von Betrieben (Auswahl nach dem Zufallsprinzip) überprüfen.
- Die Wortschöpfung "industrielle Tierhaltung" muss heute für vieles herhalten. Für den Normalverbraucher ist sie äußerst negativ besetzt. Eine plausible Definition ist mir jedoch nicht bekannt. An der Anzahl der Tiere je Standort oder Stalleinheit allein kann man es nicht festmachen. Woran dann? Entscheidend ist, wie die Haltungs- und Betreuungsbedingungen der Tiere sind. In größeren Stalleinheiten werden die Nutztiere von speziell ausgebildetem und geschultem Personal betreut. Die Klima-, Licht- und Platzbedingungen sind speziell auf die Tierart abgestimmt. Dies ist in kleineren Ställen kaum möglich. Die tierischen Leistungen, die in großen und modernen Ställen in der Regel sehr gut sind, belegen, dass diese Haltung so negativ nicht sein kann! Der wirtschaftliche Aspekt für die Landwirte darf in diesem Zusammenhang nicht unberücksichtigt bleiben. Die Industrialisierung hat heute in allen Wirtschaftszweigen Einzug gehalten. Auch im Feldbau wird heute nicht mehr mit dem Pferd und Einscharpflug gearbeitet. Warum also soll der wissenschaftliche Fortschritt der Tierproduktion vorenthalten werden? Grundsätzlich gilt, hohe Leistungen bringen Nutztiere nur, wenn sie sich wohl fühlen und optimal versorgt werden. Dafür muss das Personal in den Ställen sorgen.
Das Fazit der Veranstaltung, in der Fachleute aus der Praxis ihre Erfahrungen vermittelten, war: das Trinkwasser in Nordsachsen ist in Ordnung, die Wasserversorger haben keine Probleme mit dem Grundwasser und die Gesundheit der Nordsachsen, bezogen auf das Trinkwasser, ist nicht gefährdet.
Dr. Reiner Dietrich
Landwirt